Kerzen am Leuchter, Kerzen am Baum Heiligabend
und das erste Chanukkalicht fielen in diesem Jahr zusammen.


Am 24. Dezember waren wir mit einer Besonderheit konfrontiert: In der jüdischen Religion fiel das Zünden der ersten Chanukkakerze auf den christlichen Heiligabend. Zuletzt war das 1978 der Fall, davor 1940 und 1872. Die nächsten Koinzidenzen stehen 2027 und 2073 bevor. Aus diesem Anlass veröffentlichte die „Jüdische Allgemeine“ einen „Feiertagsvergleich“ von Rabbiner Walter Rothschild:

„Am 24. Dezember werden Juden und Christen also ihre Kerzen anzünden – die einen auf der Fensterbank, die anderen am Baum. Natürlich gibt es Unterschiede: Chanukka dauert acht Tage, Weihnachten fast acht Monate. An Chanukka soll man viel essen und trinken und feiern und Geschenke geben, während an Weihnachten ...

Naja, vielleicht ist der Unterschied doch nicht so groß? Trotzdem halte ich nichts von Synkretismen wie 'Weihnukka' oder 'Channumas'. Die beiden Religionen sind sehr unterschiedlich. Chanukka feiert einen militärischen Sieg über Andersdenkende, während Weihnachten (theoretisch) an die Geburt eines jüdischen Messias erinnert. Lange her und weit weg.

Betrachten wir die Frage also aus einer anderen Perspektive. Was bedeutet Weihnachten? Eine Gefahr für Juden? Ist es überhaupt noch ein christliches Fest? Ich meine, sein Charakter ist heute eher heidnisch als christlich geprägt. Das macht es für Juden zwar nicht besser. Doch wozu sollten wir an der (derzeit noch herrschenden) 'Leitkultur' herumnörgeln? […]

Das Grundproblem für uns Juden ist heute ein ganz anderes: Chanukka ist in gewisser Weise auch ein Fest der Intoleranz – eine Erinnerung an den Bürgerkrieg zwischen Fundamentalisten und den Assimilanten (wenn man den Quellen, die wir haben, glaubt). Die Rabbinen schämten sich ein wenig für Chanukka und erwähnten es kaum – im Vergleich zu Purim, das ein ganzes Talmudtraktat ausmacht.

Die Makkabäerbücher I und II blieben außerhalb des biblischen Kanons, und Chanukka wurde durch eine 'Wundergeschichte' und als Kinderfest bekannt statt als echter Gedenktag für die Opfer oder ihren Eifer. Nur in Israel blieb Chanukka ein Fest des Nationalismus und eine Feier des Sieges über die inneren und äußeren Feinde. Nur dort hat das Lied Maos Zur wahre Bedeutung, nur dort glaubt man wirklich an 'Al Hanissim'. Weihnachten hingegen ist ein säkulares Konsumfest geworden – mit Kinderliedern, Stollen, Rentieren, Hollywoodschmalz und viel zu viel Gänsebraten.

Doch niemand denkt wirklich an die Verzweiflung einer ganzen Bevölkerungsgruppe im Nahen Osten, an ihr Leid unter der Tyrannei, ihre Sehnsucht nach einem Erlöser, einem Retter, an ihre Hoffnung. Das wäre zu unbequem, zu aktuell, nichts für die Kinder.

Beide Feste, Chanukka und Weihnachten, sind in ihrer heutigen Praxis kaum noch religiösen Wurzeln verhaftet. Deswegen sehe ich keinen Grund, Juden zu verbieten, mit ihren nichtjüdischen Familienmitgliedern ein gemeinsames Familienfest zu genießen. Warum sollte man nicht einige Tage frei nehmen, alte Filme anschauen, die Schwiegereltern behelligen und nach den Feiertagen alle Geschenke umtauschen? Wen stört das?...“

Zum Artikel in der „Jüdische Allgemeine“.