Das Vier Tempel Viertel in Wrocław:
ein Zentrum der Begegnungen, des Dialogs und der gegenseitigen Achtung


Bis zu seiner dritten Teilung im Jahr 1795 war die Union Polen-Litauen ein Vielvölkerstaat mit unterschiedlichsten Glaubensbekenntnissen. Die Religionsfreiheit in der Adelsrepublik war in ganz Europa bekannt und sogar politisch geschützt. Bis 1939 lebte hier eine konfessionell vielfältige Gesellschaft friedlich miteinander. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag alles in Schutt und Asche. Aus Breslau wurde Wrocław – weltweit die einzige Stadt, die nach dem Zweiten Weltkrieg einen vollständigen Bevölkerungsaustausch erlebt hat. Jeder hier ist ein Migrationskind.

Heute wirbt das einstige Breslau damit, eine „Stadt der Begegnung“ zu sein. Ein Highlight in diesem Bestreben ist das Vier Tempel Viertel (Dzielnica Czterech Świątyń). Es liegt im Zentrum Wrocławs, in unmittelbarer Nähe des Ryneks, hier, wo sich einst die VIA REGIA und die Bernsteinstraße kreuzten. Seinen einzigartigen Charakter bestimmen die herausragenden Denkmäler der religiösen Architektur. Im Abstand von knapp 300 Metern gibt es die polnisch-orthodoxe Kathedrale der Geburt der seligen Jungfrau Maria, die römisch-katholische Kirche des hl. Antonius von Padua, die Synagoge Zum Weißen Storch und die Evangelisch-Augsburgische Kirche des Bekenntnisses der Göttlichen Vorsehung. Um die Zusammenarbeit zwischen den Religionen zu stärken, wurde 1996 ein Rat für das Viertel ernannt. 2005 wurden die Gotteshäuser durch einen Kulturpfad verbunden und der Bereich, in dem sie sich befinden, wurde im lokalen Bebauungsplan aufgegriffen. Das Viertel wurde in das Denkmalregister eingetragen und als ein Denkmal der Geschichte anerkannt.

Das Vier Tempel Viertel ist heute Raum für eine Reihe von Kultur- und Bildungsveranstaltungen.

Lange bevor hier 2005 eine „Stiftung des gegenseitigen Respekts“ entstand, initiierten Vertreter der religiösen Gemeinschaften zahlreiche gemeinsame Projekte. Heute sind es über 500 Veranstaltungen im Jahr – zum Beispiel Lesungen, Konzerte oder Ausstellungen. Deren Ziel hat sich nicht geändert: Sie setzen auf interreligiösen und interkulturellen Dialog und Nächstenliebe. Von besonderer Bedeutung ist die Synagoge. Hier gibt es viele künstlerische Projekte. Jedes Jahr in den Sommerferien findet eine Reihe von Konzerten und Ausstellungen statt. Diese werden unter dem Namen „Sommer in der Synagoge Zum Weißen Storch“ organisiert. Zahlreiche Restaurants, Cafés, Kneipen und Musikclubs, die sich im Vier Tempel Viertel (u.a. auf dem schönen, von alten Mauern umgebenen Hof der Synagoge Zum Weißen Storch) befinden, machen den Platz zu einem der magischen Orte für Begegnungen in Wrocław.

(Foto: Für das Vier Tempel Viertel schuf die Bildhauerin Ewa Rossano die Skultur „Kristallplanet“, die 2012 enthüllt wurde. Die zwei Meter große Figur eines Mädchens im Kleid, das an eine Erdkugel erinnert, symbolisiert die Einheit der Welt, trotz religiöser und kultureller Unterschiede.)