„VIA REGIA – Der weite Weg nach Osten“ – Langzeitprojekt

Was bringt das Jahr 2018?

Seit Anbeginn der Beschreibungen der historischen VIA REGIA im Rahmen des Kulturrouten-Projektes wird die Route von der Atlantikküste bis Kiew dargestellt und dann heißt es „von hier aus führte sie weiter nach Osten“. Gelegentlich wird erwähnt, dass sie irgendwo auf die „Seidenstraße“ traf. Die Bezeichnung „Seidenstraße“ wurde erst im 19. Jahrhundert durch den deutschen Geografen Ferdinand von Richthofen geprägt. Sie bezieht sich auf „ein altes Netz von Karawanenstraßen, deren Hauptrouten das Mittelmeer auf dem Landweg über Zentralasien mit Ostasien verbanden“ (Wikipedia). Diese Orientierung auf den Mittelmeerraum begründet sich aus der herausragenden Stellung italienischer Handelsstädte für den Handel in Europa. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts hatte sich ein Großteil des internationalen Handels der italienischen Kaufleute verlagert. Nachdem der Venezianer Marco Polo seit 1271 China bereist hatte, kam der Ferne Osten als Handelspartner insbesondere für Seide hinzu.

Daneben stehen die Handelsbeziehungen Mittel- und Westeuropas mit dem Fernen Osten. Für die VIA REGIA wird berichtet, dass die Stadt Lviv 1380 das Lagerrecht für alle östlichen Waren erhielt, was die Stadt zum wichtigsten Handelszentrum zwischen Europa und Asien machte. Alle orientalischen Waren sollten in Lviv gelagert und ausgestellt werden. Der Begriff „Orient“ umfasste zu dieser Zeit die gesamte asiatische Welt, das heißt, neben den arabischen Ländern auch Iran, Indien, China und Japan.

Die Messen in Jarosław hatten Handelskontakte bis in den Fernen Osten. In den Tuchhallen von Krakau wurden u.a. auch Seidenstoffe verkauft. Frankfurt wurde zu einer mitteleuropäischen Drehscheibe des Orienthandels, dessen südliche Drehscheibe Venedig war.

Es ist also zu konstatieren, dass es „Orienthandel“ auch auf den Handelsplätzen an der VIA REGIA gab. Zu fragen ist nun, welche Bedeutung die VIA REGIA als Transportweg hatte. Es geht also zunächst um die historische Legitimation der VIA REGIA als einer Verbindungsachse von Westeuropa nach Ostasien und den Nachweis konkreter Wegeführungen östlich von Kiev bis ins heutige China.

Einen außerordentlich wertvollen Ansatz liefert die Reise des Franziskanermönchs Giovanni del Pina Carpini nach Karakorum in der heutigen Mongolei etwa 350 km westlich der Hauptstadt Ulaanbaatar. Carpini suchte im Jahre 1245 – also 26 Jahre vor der China-Reise des Marco Polo – den mongolischen Großkhan mit einer Botschaft von Papst Innozenz IV. auf. Aus Lyon über Prag kommend, erreichte er in Krakau die VIA GEGIA und reiste auf der historischen Straße weiter bis Kiev. Im August 1246 hatte er in der Nähe von Karakorum eine Audienz beim neu gewählten mongolischen Großkhan Göjük. Sein Reisetagebuch ist erhalten.

Die Vorarbeiten zum Projekt „VIA REGIA – Der weite Weg nach Osten“ haben damit begonnen. In einem ersten Schritt gilt es, den Weg Carpinis von Kiev nach Karakorum mit heutigen Wegeverläufen in Beziehung zu setzen. Desweiteren erfolgen Analysen historischer Reiseberichte von Europa nach Ostasien zwischen dem Mittelalter und dem 19. Jahrhundert und Recherchen über ostasiatische Waren auf den Messen in Leipzig und Frankfurt (Was wurde angeboten, wer waren die Händler, auf welchen Wegen sind die Waren zu den Märkten gelangt?)

Vor diesem Hintergrund soll die aktuelle Verwertbarkeit dieser Erkenntnisse geprüft werden. Das hat einerseits eine touristische Komponente. Immerhin liegen an der vermuteten Strecke östlich von Kiev solche Zielorte wie Astrachan, der Aralsee, Almaty, die frühere Hauptstadt und heute größte Stadt in Kasachstan und Ulaanbaatar, die Hauptstadt der Mongolei.

Ebenso von Interesse ist aber eine Verbindung mit dem von der Volksrepublik China initiierten Projekt der „Neuen Seidenstraße“. Die „Fuldaer Zeitung“ hat anlässlich eines Vortrags „Die neue Seidenstraße – Was verbirgt sich hinter dem vielleicht größten Projekt der Menschheitsgeschichte?“ an der örtlichen Hochschule das Vorhaben so charakterisiert: Bei der „Neuen Seidenstraße“ handelt es sich „um ein riesiges Infrastrukturprojekt, das gegenwärtig etwa 65 Staaten mit einer Gesamtbevölkerung von 4,4 Milliarden Menschen umfasst. Im Wesentlichen geht es darum, die Infrastruktur in Ost- und Zentralasien auf- und auszubauen – grenzüberschreitende Straßen, Eisenbahnlinien. Pipelines, Glasfaserkabel und künstliche Wasserstraßen.“)

Welche Verbindungen sich hier knüpfen lassen, ist z.Z. offen.

(Abbn.; Giovanni del Pina Carpini zur Audienz beim Großkhan Göjük, Fresko von Gerardo Dottori im Festsaal des Rathauses in Magione (Italien), der Heimatstadt von Giovanni del Pina Carpini [Ausschnitt],
Grafik von UDE in der „Fuldaer Zeitung“ vom 31.12.17 mit Wegekorridoren der „Neuen Seidenstraße“, die auch einen Verlauf darstellt, der teilidentisch mit der VIA REGIA ist.)