Wir veröffentlichen nach Jahrzehnten erstmals wesentliche Abschnitte dieses Textes und wenden uns damit an alle diejenigen, die mehr wissen möchten zum Leben und Treiben auf der alten „Königsstraße“ und die Bedeutung, die Erfurt einstmals für den Handel in Europa hatte.

Erfurter Handel und Handelsstraßen

von Luise Gerbing
(23.04.1855 - 25.02.1927)

Luise Gerbing wurde 1855 in Schnepfenthal geboren. Sie war die Enkelin von Christian Gotthilf Salzmann und besuchte die von ihm gegründete „Salzmannschule“, heiratete ihren einstigen Zeichenlehrer Reinhold Gerbing und unterrichtete dann selbst an der seit ihrer Gründung überregional namhaften Schule. Ihr Lebenswerk war die Beobachtung und Dokumentation der Kulturentwicklung der Thüringer Bevölkerung, insbesondere beobachtet im Thüringer Wald. In zahllosen Veröffentlichungen bewahrte sie unwiederbringliches Kulturgut vor Vergessenheit und Untergang. Im Jahre 1900 erschien ihr Artikel „Erfurter Handel und Handelsstrassen“ in den „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Alterthumskunde von Erfurt“. Diese Schrift ist bis heute eine der gründlichsten historischen Untersuchungen der Wege- und Handelsbeziehungen im Thüringer VIA REGIA-Korridor.

Inhalt:

lesen Thore und Wege
lesen Königsstraßen und Geleitswesen
lesen Geleit, Chausseegeld, Maut
lesen Beiwege
lesen Umfahren des Geleits
lesen Königgstraßen
lesen Geleitsreiter
lesen Fuhrleute
lesen Sicherung der Straßen
lesen Zollermäßigung und Geleitserleichterung
lesen Niederlags- oder Stapelrecht
lesen Markt
lesen Die städtische Waage
lesen Geleits- und Zollregister


Kapitel 2: Königsstraßen und Geleitswesen

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Übersicht:

lesen Geleit, Chausseegeld, Maut
lesen Beiwege
lesen Umfahren des Geleits
lesen Königgstraßen
lesen Geleitsreiter
lesen Fuhrleute
lesen Sicherung der Straßen
lesen Zollermäßigung und Geleitserleichterung


Geleit, Chausseegeld, Maut
Das Geleit war ursprünglich die Begleitung von Reisenden, vor allem Kaufleuten, und Gütern durch Bewaffnete zum Schutz vor Überfällen.

Ebenfalls als Geleit bezeichnete man die Gebühr, die der Schirmherr für diesen Schutz erhob. Bei Überfällen in seinem Geleitsbezirk hatte er die Beraubten zu entschädigen.

Das Geleit war im mittelalterlichen. Europa ein königlicher Sonderfriede auf Verkehrswegen (Strassen, schiffbare Flüsse, Seewege).
Die Geleitsrechte konnten seit dem 13. Jahrhundert durch königliche Verleihung an fürstliche Landesherren, seit dem 14. Jahrhundert auch an Städte übertragen werden. Geleitsrechte konnten wie Herrschaftsrechte getauscht, verkauft, verpfändet und vererbt werden. Sie kamen vom 15. Jahrhundert an mit den Adelsherrschaften mehrheitlich an Städte und Länder und wurden zu Merkmalen der Territorialherrschaft.

Die Obrigkeiten verpachteten sie meist mit den Zöllen an Städte oder Privatpersonen, die das Geleitsgeld an den Zollstellen erhoben.

Mit dem Bau von „Kunststraßen“ (befestigten Chausseen) im 18./ 19. Jahrhundert wurde das „Geleit“ durch „Chauseegeld“ ersetzt, was erst am Ende des 19. Jahrhunderts, z.T. auch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, abgeschafft wurde. Die „Maut“ kann wohl als ein moderner Nachfahre der früheren Straßengebühren angesehen werden.


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Beiwege
Interessant ist es zu verfolgen, welche Beiwege die Warenzüge einschlugen, um das Erfurter Hauptgeleit zu umgehen. Die Geleitsakten enthalten drastische Schilderungen von Wortgefechten zwischen den ihres Amtes waltenden Geleitsreitern und den auf Abwegen ertappten Fuhrleuten. Besonders verrufen waren die Schleusinger, die mit Vorliebe die Meckfelder Strasse „bauten", oder von Stadtilm über Magdala, Mellingen, Romstedt und Camburg auswichen. Die „wilden Fuhren" vom Rhein und aus Frankfurt a. M. schlugen sich entweder von Berka a. d. Werra nach Körner oder auf das Vorwerk Peisel im Amt Volkenroda - Schlotheim - Almenhausen - über Greussen - Kindelbrück usw. Andere fuhren über Klein-Keula nach Sondershausen oder Nordhausen durch das Amt Allstedt oder über Gross-Lupnitz nach Grossen-Behringen - Langensalza - Tennstedt - Weissensee - Gutmannshausen - Eckardtsberga - Naumburg und Leipzig.

Besondere Plage hatten die Kaufleute der Städte Salza, Weissensee, Tennstedt, Mühlhausen vom Erfurter Geleitsmann zu erdulden. Es wurde ihnen zugemutet, von Eisenach oder Kreuzburg den Umweg über Erfurt von fast sieben Meilen zu machen. Auf vielfache Beschwerden musste endlich Herzog Johann Wilhelm einlenken:

„Es ist nicht unsere Meinung, den umliegenden Städten ihre Zufuhr abzuschneiden oder althergebrachte Strassen aufzuheben..., daher haben wir uns verständigt, dass die Fuhrleute, welche Waid nach dem Rheinstrom fahren, und dafür Nüsse, Kastanien, Wein und dergleichen zurückbringen, ungestört von Eisenach abschlagen und stracks auf Salza usw. fahren und daselbst ihre Waren abladen und verkaufen dürfen. Sollten sie die Waren in obigen Städten nicht verkaufen, sondern förder nach Leipzig fahren wollen, so sind sie schuldig, von Frömmstedt oder Weissensee nach Sachsenburg zu fahren und daselbst neben dem Sachsenburgischen Geleit unser Erfurtisches Geleit mitzugeben".

Salza und Tennstedt dürfen ihre selbsterzeugten Waren geleitsfrei nach Naumburg und Leipzig schaffen, ohne Erfurt zu berühren. Ebenso ist für Mühlhausen die Strasse über Gutmannshausen frei. Fremde Waren und auswärtige Fuhrleute müssen dagegen in Erfurt vergleiten (Weimarer. Staatsarchiv).


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Umfahren des Geleites
Sehr streng waren die Strafen auf Umfahren des Geleites.

„Wenn einer das Geleit ganz umfähret, so sollten zwar Gut, Karren, Wagen, Pferd und Vieh verloren seyn; allein man will es bey dem vierten Theil bewenden lassen" (Dalberg, Beyträge).

Grund des Abweichens von den vorgeschriebenen „rechten Strassen" war der oft sehr bedeutende Umweg; die mangelhafte Beschaffenheit der Strassen und der hohe Geleitszoll. Auch die Pest veranlasste oft, vielbefahrene Strassen und Orte zu vermeiden und seuchenfreie Gegenden aufzusuchen.

Ein „Wegweiser der Kreuzstrassen" aus dem Jahre 1515 enthält ein zur vorliegenden Abhandlung vielfach zugezogenes Schriftstück:

Solches sind die rechten Strassen von Nürnberg in die Seestädte und wieder zurück, und da ein Fuhrmann einer anderen Strasse braucht, ist strafwürdig." -


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Königsstraßen
Der Streit zwischen Geleitsherr und Kaufmann reicht weit zurück. Als dem Reiche vorbehaltene „Königstrassen" galten die Heerwege noch im frühen Mittelalter für exterritorial. Die Gerichtsbarkeit und die aus derselben sich ergebende Landeshoheit konnte Gegenstand selbstständiger königlicher Verleihung sein."

Ursprünglich war der Geleits-ZoIl nichts weiter als ein Mittel zur Erhaltung der Strassen und Brücken; er wurde nachträglich von denen erhoben, die diese Verkehrsmittel benutzten und hatte mithin einen ebenso gemeindienlichen Zweck wie gerechten Grund.

Das Thüringer Strassenregal war dem Landgrafen übertragen, der mit dem Recht des Geleites und der Entschädigung für dasselbe auch die Verpflichtung übernahm, die Strassen im baulichen Zustand zu erhalten. Beansprucht wurde aber nur das Recht der Geleits-Einnahme; die Last der Wegbesserung wälzten die Thüringer Fürsten, wie es auch anders wohl geschah, möglichst bald auf die Gemeinden ab. Diese sträubten sich ihrerseits gegen die lästigen Strassenfronen, und durch das gegenseitige Zuschieben und Verweigern der nötigsten Ausbesserungen gerieten besonders die Strassen des offenen Landes, die nicht auf felsiger Unterlage ruhten, in morastigen Zustand und waren zur Winterszeit fast unfahrbar. - Seit dem Naumburger Vertrag (24. Februar 1554) war das Geleitsrecht so geteilt, dass der Albertinischen Linie „die Strassen in St. Johannis- und Andresenthor" zustanden, die Ernestinische Linie die übrigen Thore und Strassen beherrschte.


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Geleitsreiter
Den amtlichen Dienst auf den Strassen versahen die „Geleitsreiter". Noch bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts trugen diese „Patrouillen", wenn sie die Landstrassen beritten, auf ihrer Brust einen silbernen Schild mit dem Sächsischen Wappen, über welchem die fünf Buchstaben V. D. M. J. A. (Wahlspruch Johann des Beständigen: Verbum Domini manet in aeternum.) zu lesen waren.

„Es lässt sich daher nicht ohne Grund vermuthen, als wären unter dieses Churfürstens Regierung die Geleits-Reiter zuerst mit solcherley Schildern versehn und solche nachgehends beibehalten worden, massen dann noch bis dato kein Fuhrmann sich von ihnen anhalten oder nach dem Geleits-Zettel fragen und sein Geschirr visitiren lässet, wenn er nicht zuvor solch Schild gesehn",

schrieb der „Fürstl. Sächs. Weim. Geleitsamtsverweser zu Gotha“, Christian Heinrich Lehmann in seiner „Sammlung einiger Historischen Nachrichten, die das Fürstl. Sächs. Thüringische Hohe Geleits-Regal zu Erfurt und dessen zugehöriges Geleitsamt zu Gotha betreffen. Verfasset und zusammengetragen von dem ao. 1780.", die im Erfurter Stadtarchiv aufbewahrt wird.

Wie zähe sich der Gedanke an die wichtige und treu gepflegte einstige Handelsverbindung zwischen Nürnberg und den meisten deutschen Städten erhalten hatte, als längst von der ganzen Herrlichkeit kaum noch ein Schatten übrig war, führt uns wiederum der wackere Gothaische Geleitsmann vor Augen:

„Noch aber wird bis auf den heutigen Tag die Nürnbergische sogenannte Geleitskutsche auf Leipzig begleitet und um von einer solchen Begleitung mehreren Begriff zu erlangen, will ich die Beschaffenheit derselben hier mit anführen. Sie kommt Mittwochs vor der ersten Mess-Woche in Leipzig nachmittags vor dem Fürsten-Hause an und geht den Zahltag abends 8 Uhr wieder nach Nürnberg ab. Die Begleiter bestehen aus Bayereutischen Reitern, worunter der Geleitsmann, nebst drey oder vier adlichen, die meisten theils Oberamtleute sind, und eine Anzahl an Einspännigem oder Geleitsreitern sich befinden. Die Begleitung geschiehet von Nürnberg aus allein durch die Bayreutischen, die ferner von einer Herrschaft bis zur ändern abgelöset werden, bis sie in das Chursächsische kommen, da es völlig aufhört, weil Seine Churf. Durchl. den Reisenden Kaufleuten in Ihren Ländern alle Sicherheit gewähren. Die Zeit der Ankunft sowohl, als des Abgangs, muss auf das genaueste beobachtet werden, indem sie sonst der Leipziger Zollfreyheit verlustig werden. Zur Bestreitung der Unkosten hingegen, die bey diesem Geleite zu der Unterhaltung der Geleiter angewendet werden, müssen von allen Güthern, die das Jahr über von diesen zwo Städten Nürnberg und Leipzig hin und her geführt werden, von jedem Zentner zu Lande 3 Kreutzer bezahlt werden. Ein gewisser, dazu verordneter Geleits-Casse Verwalter, der ein Kaufmann ist, hat die Besorgnis über diese Gelder, und er giebt dem Nürnbergischen, allezeit mit dem Geleit reisenden Reiter eine gewisse Summe mit, davon er Rechnung ablegen muss. Im Fall aber dieselbe nicht hinlänglich seyn sollte, so erstattet die Obrigkeit den Abgang. Auf der Geleitskutsche selbst, da acht Plätze sind, werden allezeit nur sieben besetzt, der achte aber wird ledig gelassen, damit wenn einer krank würde, derselbige desto mehr Beqvemlichkeit haben und sich mit Betten und ändern Nothwendigkeiten versorgen könne. Die nach Leipzig auf die Messe gewöhnlichermassen reisende Kaufleute, müssen endlich mit einander abwechseln, wenn sie auf der Geleits- Kutsche fahren; weil ihrer nun viel sind, so trifft es einen nur alle zwey oder drey Jahre einmal. Will alsdann einer, den die Ordnung trifft, nicht mit der Geleits-Kutsche reisen, so ist er gehalten, einen andern an seine Stelle zu schaffen, welchem er die Reise-Zehrung aus seinen Mitteln reichen muss. Dies ist das einzige Ueberbleibsel, der in den altem und mittleren Zeiten üblich gewesenen Begleitung" ...


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Fuhrleute
Anspruchsloser, aber nicht weniger schwerfällig und gemächlich gestalteten sich die Fahrten der gewichtigen Männer, denen die reichen Kaufherren ihre oft unschätzbaren Handelswaren anvertrauten: der Fuhrleute. Einen grossen Warenzug, zu dem sich öfters angesehene Handelsfirmen einer Stadt vereinigten, begleitete nicht nur eine genügende Anzahl von wohlbewaffneten Reisigen; den vielen Fuhrknechten gebot ein Fuhrherr, und gewöhnlich führte ein kaufmännisch gebildeter Vertreter des Handlungshauses das ganze Unternehmen an.

Kleinere Warentransporte vertraute man den erprobten „Blaukitteln" auch selbständig an; dies wurde allgemein üblich, als kein räuberischer „Zoll" mehr zu befürchten war. Einen Blick in das alte Fuhrmannsleben gewähren uns die anschaulichen Schilderungen, die mir Herr G. Poppe-Artern freundlichst zur Verfügung stellte.

„Die rheinischen Fuhrleute zogen zur Messe nach Leipzig und Frankfurt a. O. mit Karren auf zwei hohen Rädern, bespannt mit einem Pferde friesischer Abkunft. Oft gehörten wohl fünf oder mehr Karren zu einem Fuhrmann, der in blauer Bluse, mit rotwollenem, losen Halstuch, die kurze Pfeife im Munde, nebenherging. Dabei hatten alle Fuhrleute einen eigentümlichen Gang, mehr auf den Hacken auftretend. Die Peitsche hielten sie in der rechten Hand, perpendikelartig sie im Takte hin- und her bewegend, es war standesgemäss. Sie machten eine Art Innung aus; die Pferde waren sehr gutmütiger Natur und die Peitsche wurde eigentlich nur als Innungszeichen geführt. Eigentümlich war bei allen solchen Frachtfuhrleuten, dass sie mit ihrem Geschirr zu Ostern auszogen und spät im Herbst erst wieder zu Haus ankamen. Während dieser langen Zeit waren sie zwar anfangs mit Fracht von Leipzig fortgefahren, hatten aber von da unterwegs in vielen Zickzackfuhren Waren von Kollegen erhalten und abgegeben, so dass sie zum Teil, wie es sich passte, gelegentlich auch über die Grenze Deutschlands bis tief hinein in Frankreich, Italien, zuweilen auch nach Polen verschlagen wurden. Ihre Felder daheim besorgte indessen die Familie. Freilich litt bei diesem unruhigen Leben die Moralität oft sehr bedenklich, zumal die Wirte, zu allerhand Lizenzen bereit, die Hand boten. In den Herbergen lag der Stiefelknecht an einer Kette, die am Tische befestigt war, und am Thürpfosten hing an einem Kettchen der Pfeifenausräumer. Ein besonderer Gebrauch war, dass die Fuhrleute für ihre reichliche Kost und das gewöhnliche Lager auf Streu und Stroh in der allgemeinen Gaststube nur wenig zu zahlen hatten, dass aber der Gewinn des Gastwirts darin bestand, dass er für Hafer und für Heu so viel verrechnete, dass er aus dem Verkehr Nutzen hatte. Desgleichen liess er sich gut bezahlen für Vorspannpferde, zu welchen er die besten Tiere gerade nicht verwendete"...


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Sicherung der Straßen
Es erregt unsere Bewunderung, mit welcher Umsicht und zähen Energie der Erfurter Rat von jeher sein Augenmerk gerade auf dieses Gebiet lenkte und ihm emsigste Fürsorge widmete, das allein sichere Gewähr versprach für stetig wachsendes Einkommen der Stadt. Damit bot sich die Möglichkeit, allmählich ein Band nach dem andern zu lösen, das Erfurt in Abhängigkeit hielt von Mainz einerseits und den sächsischen Fürsten andererseits. Schritt für Schritt, mit diplomatischer Klugheit die Geldverlegenheiten der fehdelustigen und verschwenderischen Mainzer Erzbischöfe, der Landgrafen, später der Herzöge von Sachsen und anderer Thüringer Dynasten benutzend, nahm der Rat für sein gutes Geld Burg und Dorf zum Pfand und so gelangt ein Stück Thüringer Gebiet nach dem anderen, eine Veste nach der anderen in Erfurter Besitz.

Eine Hauptfrage war die Sicherung der Strassen. Da bei jeder Fehde der Feind der Stadt zuerst darauf ausging, die Lebensader Erfurts, den Handel, zu unterbinden und durch Sperrung der Strassen jede Zufuhr abzuschneiden, so enthalten die meisten Bündnisverträge, besonders die mit den treuverknüpften Nachbarstädten Nordhausen und Mühlhausen Abmachungen in Bezug auf die Sicherung der Strassen. Und als die drei befreundeten Städte sich 1371 (Februar 15.) auf zehn Jahre zum Schutze des Landfriedens verbanden, vereint mit den Grafen von Gleichen, Schwarzburg, Stolberg und Honstein, gelobten sie: „Ouch sollen wir . . . die strazze schuren (?) und schirmen, also, daz die nymand hindern sol oder verbieten.“ Dieselben Bundesmitglieder, vereint mit dem Erzbischof Adolf von Mainz, verpflichten sich 1375 nochmals ausdrücklich, die Handelsstrassen zu schützen.

Zu dieser Zeit gelang es der Stadt noch, mit Hilfe der Bundesgenossen, den Handel und seine Wege vor missgünstigen Feinden zu schirmen; als Erfurt aber erst in die Abhängigkeit der sächsischen Fürsten geraten war, die den „Schutz" über die Stadt lediglich als Mittel auffassten, möglichst viel Geld zu erpressen, kamen Strassensperrungen, besonders solche über den Thüringerwald, immer häufiger als Zwangsmassregel vor.

Damit die Bürger auf ihren Handelswegen auch ausserhalb Thüringens sicher gehen konnten, liess sich der Rat Schutzbriefe der betreffenden Landesherren erteilen. So 1338 von Boppo, Graf von Henneberg, für die Schleusinger und Frauen-Strasse. Die Strasse nach Frankfurt wurde durch einen Geleitsbrief von 1361 durch Heinrich und Otto, Landgrafen zu Hessen, den Erfurter Bürgern auf drei Jahre sichergestellt.

Und in den schweren Kämpfen zu Ende des 14. Jahrhunderts errang der Rat durch Fürsprache des Erzbischofs Adolf von Mainz vom König Wenzel, trotz dessen Feindschaft gegen Erfurt, die Zusage, dass Erfurter Kaufleute ihrem Handel in Böhmen ungestört nachgehen dürften.

So spannte Erfurts Handel zur Zeit seines höchsten Glanzes nach allen Richtungen seine Fäden aus, wo deutsche Handelsstädte blühten, ja weit hinaus über die deutsche Grenze.

Ein Band, dauerhafter als die rasch geschlossenen und eben so leicht gebrochenen politischen Vereinigungen, schlang sich damals von einem Handelsgebiet zum andern, soweit der Kaufmann „die Strasse baute" oder das Handelsschiff die Wellen durchschnitt.


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Zollermäßigung und Geleitserleichterung
Auf gegenseitige Zollermässigungen und Geleitserleichterungen waren die meisten dieser Uebereinkommen gerichtet. Mit Nürnberg vor allem stand Erfurt in regem, freundschaftlichen Verkehr: „Ein Bürger von Nürnberg, was der für Gut in Erfurt bringt, davon giebt man halb Geleit", vermerkt die Erfurter Geleitstafel von 1441. Dies galt aber nur für eigene Nürnberger Ware und wenn dieselbe in Erfurt blieb. Wurde das „Gut" weiter geführt, stammte es aus anderen Landen oder wurde es erst in Erfurt verkauft, so musste er das volle Geleit zahlen.

Die Städte Gotha, Eisenach und Waltershausen waren für die Güter, die sie jenseits der Thüringer Grenze erkauften und wieder aus dem Lande, aber über Erfurt führten, halb vom Geleit befreit.

Ganz geleitsfrei durfte sich Weissenfels rühmen. Denselben Vorzug genoss Stade für Obst; für Hopfen und andere Waren dagegen musste es Zoll erlegen. Um den wichtigen Eisenhandel nach Mehlis und Suhl zu fördern, erklärte man alles aus diesen Orten eingeführte Eisen für zollfrei, sofern es in Erfurt blieb. Wurde es weiter geführt, so hatte der Händler für das „Tagewerk" 6 Pfennige zu bezahlen.

Den Jenenser Weinfuhren war auferlegt, mit Brief und Siegel zu erweisen, dass der Wein diesseits der Saale (d. h. innerhalb der Thüringer Grenze!) erwachsen war. Rechtssaalisches Gewächs war nicht frei, ebenso wenig der Wein, der ausser Landes geführt wurde.

Auch der Zollverkehr auf der Hohen- oder Königsstrasse hatte seine festen Gesetze.

„Was vom Rheinstrom und Frankfurt nach Leipzig und Böhmen fahren will, muss alles auf Eisenach oder Creuzburg, Erfurt, Buttelstedt, Eckardtsberga und fürder ihrer Gelegenheit fahren, bringen 'Policen' oder Zeichen von Eisenach, geben zu Erfurt kein Geleit, doch dass solches Gut nicht niedergelegt, sondern so bald durchgeführt werde".

In umgekehrter Richtung - von Ost nach West - waren die Güter in Erfurt zollpflichtig.

Diese Vergünstigung der westdeutschen Städte scheinen die niederländischen Kaufherren für ihre Frachtfuhren gleichfalls beansprucht zu haben, denn gegen solches Verlangen wendet sich ein besonderer Artikel der Geleitstafel. Die niederländischen Güter fuhren fast ausschliesslich über Creuzburg, nahmen aber zuweilen den Weg über Eisenach und versuchten, sich dort „Policen", wie die der rheinischen Kaufleute, zu verschaffen. „So ist der Schultheiss zu Eisenach auch schuldig, allemal auf die Policen zu schreiben, was für Güter, ob es Frankfurter oder Andorfer sind, damit man sich im Geleit allhier danach zu richten (hat)." Namentlich angeführt sind „Antorff" und „Debenter" (Antwerpen und Deventer). Die aus der Wesergegend über Mühlhausen kommenden Warenzüge hatten den Zoll in Gross-Gottern zu entrichten und waren dafür in Erfurt, für den Fall, dass sie die Güter hier „niederlegten" oder durchführen, geleitsfrei. Doch mussten die Gottern'schen „Bleizeichen" noch „bei Sonnenschein" im Geleit vorgewiesen werden, widrigenfalls sie verfallen waren. Nur „Fischwerk, Talg, Honig", soweit diese Waren aus den Niederlanden, „dem Lande zu Sachsen", Magdeburg, Lübeck und Hamburg kamen, waren auf der Nordhäuser Strasse zollpflichtig; und zwar aus dem Grunde, weil „die Strasse aus dem Niederlande und von „Debenter" auf Creuzburg, aus dem Lande zu Sachsen auf Weissensee - Erfurt und nicht auf Mühlhausen gehe", der vorgeschriebene Weg also nicht eingehalten worden sei.

Die grössten Zollvergünstigungen wurden aber seit alters den Thüringer Landsleuten selbst gewährt. Schon 1157 befreite der Erzbischof von Mainz seine Eigenleute in Hochheim, Bindersleben und Ilversgehofen, ebenso die Mainzer Slaven in Dittelstedt, Melchendorf und Daberstedt vom Erfurter Zoll.

Auch dem Kloster Ichtershausen wird erlaubt „ut in eundo et redeundo a foro nostro Erpesfordiae nullam persolvat theloneum pro hiis, quae vel emerit vel vendiderit". (1196 Okt. 17.) Weitgehende Bestimmungen enthält ausserdem die Geleitstafel von 1441, die aber jedenfalls viel weiter zurückreichen, da, wie in der Einleitung ausdrücklich ausgesprochen wird: dies Register nicht gesetzt gewesen oder gegründet sei nach dem alten Gesetze, sondern nach Hören-Sagen und Läuften.

Danach ist „alles, was im Lande zu Thüringen gewachsen, es sei Wein, Waid, Gerste oder Hopfen" geleitsfrei. Vorsorglich fügt aber der Verfasser hinzu: „es werde denn über den Thüringerwald, die Werra, die Unstrut, die Saale, oder aber in die Städte, da es leitbar, geführt".

„Alle Bürger und Bauern und allermänniglich zu Thüringen gesessen", so bestimmt gleich der erste Artikel, „mögen auf alle Wochen- und Jahrmärkte auf und abziehn, geben zu Erfurt kein Geleit".

Vom Zoll befreit waren ausserdem „alle Fürsten, Grafen, Herren, Ritter, Edelleute, Studenten, Pfaffen, Klöster, ausgenommen von dem, damit sie hantieren und dadurch ihren Gewinn treiben, haben sie vor Anderen keine Freiheit".

Schon aus dem 13. Jahrhundert enthält das Bibra-Büchlein die Bestimmung:„Phaffen unde rittere unde Ritterskint unde begebene lute [Klosterleute] die ensollen niht zollen ... koubet aber ein phaffe oder ein ritter uf gewinnunge ettewaz, daz er wolle fürt [weiter] geniezzen: davon sal er zol geben".


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Luise Gerbing

Luise Gerbing

Frachtfuhrmann im 16. Jahrhundert

Reisebericht eines anonymen Kaufmannes lesen

Camburger Geleitsordnung

Camburger Geleitsordnung aus dem Jahre 1724 lesen