Alte Straßenzüge im Kreis Apolda

Die Königsstraße

Die Altstraßenforschung ist ein komplexer Gegenstand wissenschaftlicher historischer Arbeit. Sie fragt in ihrer Analysierung nach dem „Wie (Straßenverlauf), dem „Wann“ (Entstehungszeit) und dem „Warum“ (politische und ökonomische Bedingungen). Archivalien, archäologische Funde und geographische Gegebenheiten bilden hierfür die Grundlage.

Aus der schriftlichen Nachweisführunq etwa ab dem 9./10. Jahrhundert, ergibt sich eine Wertung und Einteilung der einzelnen Straßen. So gab es Öffentliche Straßen (viae publicae), die auch Reichs- oder Königsstraßen (viae regiae) genannt wurden. Weitere Straßengruppen waren die Markt- und Landstraßen (viae convicinales), die Kirchenwege (viae pastoralis). Notpfade, Diebeswege, Schleichwege usw. Alle Straßen gehörten laut Beschluß des Reichstages zu Roncaglia von 1154 zu den Regalien des Reiches.

Ein sehr alter Haupthandelsweg war die „Königsstraße“ oder auch „Hohe Straße“ genannt, die das Thüringer Becken von West noch Ost durchzog, Sie stellte die Verbindung zwischen Siedlungen und den Handelsplätzen Frankfurt (Main), Erfurt und Leipzig her. Durch den günstigen Verlauf, fast ausschließlich ein Höhenweg, spielte sie eine gewichtige Rolle innerhalb des Verbandes der alten Verkehrswege in Thüringen. Auf ihr begegneten sich die Warenzüge aus Flandern, Frankreich, Polen, Rußland und anderen Ländern. Es gab keinen Zeitpunkt, wo auf ihr der Verkehr ruhte. Selbst der Ausbau der Seewege führte zu keinem Abbruch.

Die Entstehungszeit der Königsstraße hüllt sich in das Dunkel der Vergangenheit. Archäologische Funde belegen aber bis weit vor die Zeitenwende die Nutzung dieser Handelsstraße. Urkundlich wird sie im Jahre 768 bereits erwähnt, Durch eine Verfügung aus dem Jahre 1076 erhielten die auf der Königsstraße ziehenden Handelstransporte Zollbefreiung für die mitgeführten Waren.

Die Streckenführung verlief von Frankfurt (Main) über Eisenach, Teutleben, Gotha, Erfurt, Kerbsleben, Buttelstedt, Nermsdorf, Rudersdorf, Eckartsberga, Freyburg und Merseburg nach Leipzig. Nach dem Bau der Steinbrücke über die Saale bei Bad Kösen (Ende des 14. Jahrhunderts) nahm die Handelsstraße den kürzeren Weg über Naumburg und Weißenfels nach Leipzig.

Östlich von Nermsdorf (240 m NN) trat die Königsstraße in das heutige Kreisgebiet Apolda ein und folgte, vorbei an der Wüstung Hohendorf, dem derzeitig noch benutzten Weg nach Oberreißen. Nach etwa 700 m bog sie rechtsseitig ab und verlief auf der teilweise im Gelände erhaltenen Trasse bis zur Landstraße Pfiffelbach/Oberreißen. Die Überquerung der Landstraße erfolgte auf dem Plateau südlich von Oberreißen, bevor sich dieses nach der Ortschaft absenkt. Von hier verlief die Königsstraße in nordöstlicher Richtung zum Mause-Berg. In dieser Flur, bereits außerhalb unseres Kreisgebietes, kreuzte die Königsstraße die von Süden kommende Kupferstraße. Das Umland trägt den Namen „Auf dem alten Markte“ und könnte im unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Kreuzungspunkt gestanden haben. Ab dieser Handelsstraßenkreuzung, von der heute im Gelände nichts mehr wahrnehmbar ist, führte die Königsstraße in östlicher Richtung auf den Paßübergang von Eckartsberga zu.

Ein relativ starker Verkehr herrschte auf dieser Verkehrsader. So wurden 1593 in Eckartsberga 12.919 und 1594 sogar 13.360 Pferde im Durchgangsverkehr gezählt. Durch das Aufblühen der Residenzstadt Weimar im 18. Jahrhundert ging die Bedeutung der Königsstraße im Bereich zwischen Erfurt und Eckartsberga verloren. Weimar zog allmählich die in .der Nähe verlaufenden Verkehrswege an sich heran. J. W. Goethe, 1779 zum Direktor des Landstrallen-Bauwesens im Herzogtum Sachsen-Weimar berufen, veranlaßte den Bau der Landstraße von Erfurt nach Weimar. Jahrzehnte danach, ab 1802, entstand die Straßenführung von Weimar auf der Ilm-Saale-Platte nach Eckartsberga. Diese Chaussierung besiegelte vom 18. zum 19. Jahrhundert das Schicksal der Königsstraße.

Die gesamte Wegstrecke der Königsstraße durch unser Kreisgebiet beträgt ca. 5 km. Davon ist in unserer Zeit noch etwa 1 km als Fragment begehbar, während der größere Teil durch die Separation im letzten Jahrhundert vernichtet wurde. Aber noch heute erinnern Flurnamen auf den älteren Gemarkungskarten wie „An der Landstraße, „An der Oberstraße“ und „An der Hohen Straße“ an die einstige Wegführung der Königsstraße durch unser Heimatgebiet.

Thomas Waschke in: Apoldaer Heimat, Kulturbund der DDR, Kreisleitung Apolda, 1988