Alte Straßenzüge im Kreis Apolda

Die Kupferstraße

Seit Urzeiten hat Thüringen durch seine ausgesprochene geographische Mittellage verkehrspolitisch eine bedeutende Rolle gespielt. Auch unser Kreisgebiet wurde von „Straßen“ durchzogen. Von Anbeginn der Menschheitsgeschichte erfüllten sie die Aufgabe der Verbindung zwischen Menschengruppen gleicher oder verschiedener Kulturen über unterschiedliche Entfernungen mit dem Ziel der Ausbreitung, des Handels und der Eroberung. Entfällt die planmäßige Benutzung, verliert die Straße ihre Existenz; sie wird überpflügt und als Kulturlandschaft genutzt, oder die natürliche unkontrollierte Vegetation ergreift wieder Besitz von ihr.

Der Begriff „Straße“ wurde durch die Römer (lat. via strata - gerader Weg) geprägt. Das Verbindungssystem unserer Vorfahren ist nach bestimmten Aspekten, die sich durch Erfahrungen im Laufe der Zeit herausbildeten, angelegt. Sie nutzten die vorhandenen natürlichen Gegebenheiten der Landschaft für die Wegführung aus. So wurden trockene Höhenrücken auf Hügelketten bevorzugt. Genutzt wurden ideale Pässe und Furten, auch wenn sie eine Verlängerung des Weges bedeuteten. Weiterhin fällt auf, daß die ‚Straße“ sehr viele Ortschaften mied; sie wurde an ihnen vorbeigeführt. Hierfür gibt es zwei Erklärungen. Zum einen versuchten die Orte, sich der Verantwortung zur Unterhaltung der Straße zu entziehen. Andererseits bildete in der Zeit von Fehden und Kriegen die Straßennähe eine Gefahr für die Orte. Dagegen suchte vor allem im Mittelalter die Straße den Schutz der Burgen für die Sicherheit der auf ihr reisenden Personen.

Eine der bekanntesten historischen Straßen, die durch das Apoldaer Kreisgebiet verläuft, war die sogenannte Kupferstraße. Sie verband die Kaufmanns- und Handwerkerstadt Nürnberg mit der seit 1199 nachweisbaren Kupferbergbaustadt Mansfeld. Ihr wirkliches Alter reicht aber weit in die Frühgeschichte zurück. Davon zeugen Funde verschiedener Art zu beiden Seiten ihres Verlaufes. Diese Straße blieb vom ansaugenden Einfluß Erfurts (zentraler Warenumschlags- und Handelsplatz) frei und zog unangefochten ihren Weg als sogenannte Meridianstraße weiter bis Venedig im Süden und Magdeburg sowie Hamburg im Norden. Im Bereich zwischen Nürnberg und Mansfeld verlief die Kupferstraße über Bamberg, Coburg, Saalfeld, Rudolstadt, Teichel, Mellingen, Rudersdorf, Karsdorf, Ouerfurt und Eisleben, Die Kupferstraße war weitgehend von geleits- und stapelrechtlichcn Zwangspunkten befreit. Sie blühte mit dem Kupferbergbau auf und vermittelte in guten Zeiten einen ungeheueren Verkehr. In den Handelskontoren der Kaufleute galt sie als „Schleifweg“, denn man transportierte auch andere Güter als Kupferbarren auf ihr. Anfang des 19. Jahrhunderts, bedingt durch die Verlegung des Bergbaus von Mansfeld weg sowie durch die verkehrstechnische Entwicklung (Eisenbahn). verödete sie ganz.

Die Kupferstraße trat südlich bei Wiegendorf in unseren Kreis ein und verlief an diesem Ort vorbei in Richtung Schwabsdorf (heutige Landstraße bis zur F 87). Am Rande beider Siedlungen, der Straße zugewandt, befand sich jeweils ein Fuhrmannsgasthof mit Vorspanndienst. Dies machte sich erforderlich, da von Mellingen über die Lehnstedter Höhe nach Wiegendorf sowie von Ulrichshalben über „Rödigsdorfer Berg“ und ‚Am Silberberg“ Höhenunterschiede zu überwinden waren. Hinter Schwabsdorf führte sie bergab (heute teilweise überpflügt) nach Ulrichshalben durch einen noch heute sichtbaren Hohlweg. Von Wiegendorf bis Ulrichshalben ist der Weg durch Flurnamen vielfach gekennzeichnet. Bis zur Ilmdurchfahrt ging auch der Geleitsdienst der Burg und später des Amtes Kapellendorf.

Für die Ilmdurchfahrt wurden zwei Furten benutzt. Die eine entdeckte man erst um 1965 beim Bau der neuen Brücke nach Oßmannstedt. Die zweite lag etwa 100 m westlich von der ersteren. Weiter führte der Verkehrsweg von der Ilm aus durch den „Petersgraben“ (ein sehr gut erhaltener Hohlweg) zum kleinen Ettersberg, wo sie mit der heutigen Landstraße nach Liebstedt zusammentrifft. Die Wegführung durch Ulrichshalben und Oßmannstedt ist reich an archäologischem Fundmaterial. Neben steinzeitlichen Einzelfunden wie Steinbeile, Steinäxte usw. macht besonders ein Grab („Goldfund von Oßmannstedt“) aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts auf den Verlauf der Kupferstroße aufmerksam.

An der Stelle des Zusammentreffens der Kupferstraße mit der Landstraße Oßmannstedt - Liebstedt befindet sich ein steinerner Wegweiser, der aber erst vor ca. 200 Jahren aufgestellt wurde. Die Kupferstraße folgt der Landstraße bis zu einer Senke vor Liebstedt. Von hier strebt sie durch einen Hohlweg führend in nordwestlicher Richtung zur Burg Liebstedt zu. Die Burganlage wurde als Durchgangspassage genutzt, In den Comtureigebäuden befand sich ein Gasthof mit Vorspanndienst (Stall mit ca. 65 Pferden). Nördlich der Burg Liebstedt führt die Straße durch einen Hohlweg der 1878 beim Bau der Landstraße nach Rohrbach verbreitert wurde (Entdeckung von Großanlagen aus dem 7. Jahrhundert am Fuße des Fuhnhügels). Die Kupferstraße schwenkt dann nordöstlich ob, vorbei an den Wüstungen Putschendorf und Oberehöfe, und verläuft über den Petersberg und Mause-Berg (oberhalb von Willerstedt) in Richtung Rudersdarf. Vor Rudersdorf verläßt die Straße unser Kreisgebiet. Durch die Festlegungen der Separation von 1863/65 verliert sich heute teilweise die Wegführung im Bereich der Strecke Liebstedt.Willerstedt. Es ist urkundlich nicht eindeutig feststellbar, inwieweit die Burgen Oßmannstedt, Liebstedt und Willerstedt für den Geleitschutz verpflichtet waren. Es ist anzunehmen, daß die Burgbesatzungen auf Grund der Einnahmen diesen durchführten.

Der Streckenabschnitt der Kupferstraße, der durch unseren Kreis führt, beträgt etwa 15 km. Davon werden heute ca. 5 km als Landstraße, ca. 3km als Feldwege und der Rest als landwirtschaftliche Anbaufläche genutzt. Im Sinne einer richtig verstandenen Bodendenkmalpffege gilt es, die noch vorhandenen sichtbaren Zeugnisse dieser einst so bedeutenden Handelsstrafle für die Zukunft zu erhalten. Was einmal bewußt oder unbewußt zerstört wird, ist für immer verloren, macht das Angesicht unserer Heimat zugleich ärmer.

Thomas Waschke in: Apoldaer Heimat, Kulturbund der DDR, Kreisleitung Apolda, 1987